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Brief an die Fleischer (2)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will hier keineswegs eine Lanze für den Handel brechen, dafür habe ich zu wenig Verständnis für den kompromisslosen Verdrängungswettbewerb gerade im Frischebereich. Ich möchte allerdings aufzeigen, in welcher Art und Weise und mit welchen Mitteln sich der Handel seine dominante Stellung im Fleisch- und Wurstverkauf erkämpft hat.

Aus Fleischerkreisen hört man vielfach eine einfache Erklärung: Der massive, geradezu ruinöse Preiskampf hauptsächlich im Fleischbereich und natürlich der enorme Werbedruck. Diese Argumente sind zu einem guten Teil richtig, sie umfassen allerdings gerade einmal die halbe Wahrheit. In einem fulminanten Wettbewerb unter den Handelsfirmen selbst – dabei spielten die Fleischer lediglich eine Statistenrolle – wurde permanent in die Bereiche Produktqualität, Sortimentsverbesserung, Schulung und damit Verkaufskompetenz und nicht zuletzt auch Standortentwicklung investiert. Ich erlaube mir hier, nur einige Stichworte aufzuzählen:

  • permanente Verlängerung der Öffnungszeiten seit Anfang der 1990er-Jahre
  • die „frisch oder gratis“-Garantie, mit der Billa seinerzeit neue Maßstäbe in Sachen Frische setzte
  • kreative Werbeideen zur Steigerung diverser Imagewerte („Mister Anonym“)
  • breit angelegte Qualitäts- und Herkunftsprogramme, auch wenn dabei manchmal Pannen passierten (AMA-Gütesiegel, Bauernhofgarantie)
  • Ausbau der Schulungstätigkeit besonders im Feinkostbereich
  • Stärkung der Kontrollinstanzen durch fachliche und persönlichkeitsbildende Schulungsmaßnahmen für die Feinkostinspektoren
  • und nicht zuletzt die ständige Bereitschaft, neue Trends und Entwicklungen unverzüglich zur Verkaufsreife zu bringen.

Die hier aufgezählten Maßnahmen haben den verantwortlichen Managern eine gehörige Portion Risikobereitschaft und Durchsetzungskraft abverlangt. Ihre Auswirkungen waren nicht in jedem Falle exakt planbar und sie haben ohne Zweifel einen hohen finanziellen Aufwand nach sich gezogen.

Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass dies alles aus anderen Sortimentsgruppen quer finanziert worden wäre. Zumindest die wirklich erfolgreichen Handelsfirmen haben ihre Frischebereiche in eigenen Profitcenters organisiert, die durchaus ergebnisorientiert gearbeitet haben. Das Erfolgsgeheimnis des Handels ist auf eine einfache, aber ungemein wirksame Zauberformel zurückzuführen: Die permanente Bereitschaft, die eigene Leistung immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern! Man hat den Fokus kompromisslos auf Fragen der Kundenbedürfnisse gerichtet und immer wieder aufs Neue versucht, den Mitbewerbern einen Schritt voraus zu sein.

Die Reaktionen bzw. Nicht-Reaktionen des Fleischerhandwerks – zumindest so wie ich sie vielfach erlebt habe – werde ich in meinem nächsten Brief darlegen.

Mit kollegialen Grüßen, Karl Wegschaider

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